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Nationalsozalismus

Vorzeichen

Anfang September 1927 sind erste Ansätze einer Ortsgruppengründung der „Hitlerbewegung“ zu beobachten. Am 12. Juli 1931 erfolgte die Gründung der NSDAP-Ortsgruppe mit 37 Mitgliedern im „Hotel zur Rose“ in Rechnitz. Erste Übergriffe von illegalen Nationalsozialisten erfolgten bereits vor 1938. So marschierten 1934 sechs uniformierte SA-Männer mit „Hitler erwache! Dollfuß zerkrache!“ durch die Rechnitzer Straßen. Schmieraktionen mit Hakenkreuzen an jüdischen und anderen Häusern fanden statt.

März 1938 und die Folgen

In der Nacht vom 11. auf den 12. März 1938 übernahmen einheimische Nationalsozialisten die Macht in Österreich. Der „Anschluss“ wurde auch in Rechnitz begeistert gefeiert:

Zeitungsartikel zum "Anschluss" 1938 in Rechnitz (Quelle: Oberwarther Sonntags-Zeitung)

„Die freudige Runde von der Machtergreifung der nationalsozialistischen Partei in unserem Heimatlande am Abend des 11. März löste, wie in allen österreichischen Gauen, auch bei der grenzdeutschen Bevölkerung von Rechnitz innige Freude und größte Begeisterung aus. Wie überall vollzog sich auch in Rechnitz der Umbruch in aller Ruhe, ohne die geringste Störung. Es zeigte sich auch hier, daß man diese freudige geschichtliche Wende im Leben unseres Volkes in froher Erwartung allgemein herbeisehnte. Schon am nächsten Tag, Samstag den 12. d. wurde der hiesige bisherige volkspolitische Referent Dr. Max Gortan, Tierarzt, mit der Führung der Geschäfte des Bürgermeisters betraut. […] Mehr als 3000 Personen zogen durch die Straßen unter den Musikklängen der Haydnkapelle. Der schier endlose Zug bewegte sich vom Hauptplatz über die Kirchen-, Nußgraben-, Weirer- und Herrengasse nach dem Hauptplatz und von hier aus nach der Mühlbach-, Steinamanger-, Katharinen- und Bahnhofgasse abermals zurück zum Hauptplatze, wo dann vor dem Kriegerdenkmal Aufstellung genommen wurde. Hier hielt Zollamtsleiter Dürrmayer aus Schachendorf eine begeisternde Ansprache, die immer wieder durch stürmische Rufe: ‚Ein Volk, ein Reich, ein Führer!‘ und den Rufen ‚Sieg Heil!‘ und ‚Heil Hitler!‘ unterbrochen wurde und schließlich mit einem Treuebekenntnis zu Deutschösterreich und seinem Führer ihren Abschluß fand. […]“

Quelle: Oberwarther Sonntags-Zeitung, 20. März 1938, S. 2.

Unmittelbar danach setzte in Rechnitz die systematische Demütigung, Verfolgung und Vertreibung der Jüdinnen und Juden ein. Die IKG Rechnitz umfasste am 15. März 1938 noch 125 Seelen. Bereits am 26. März wurde über die Bezirkshauptmannschaften angeordnet, alle Juden listenmäßig zu erfassen und ihnen Vermögensabgaben abzuverlangen. Einige Familien flüchteten nach Wien. Mitte April 1938 begann die Deportation, angeordnet von Otto Kurt Koch von der Gestapo-Leitstelle in Eisenstadt. Eine Rechnitzerin erinnert sich:

„Das schrecklichste Erlebnis dieser Zeit war es dann, als […] ein Lastwagen, gegenüber von unserem Haus, anhielt, und die bereits dort zusammengeholten etwa 20 bis 30 Juden von uniformierten SA Beamteten aufgeladen wurden. Wir beobachteten diese unfassbare Szene nur durch die Gassenfenster unseres Hauses, wagten es jedoch nicht hinaus zu gehen. Wahrhaft erschütternde Momente ergaben sich, als zwei Freundinnen meiner Mutter, noch vor dem Abtransport zu uns herüber ins Gasthaus gelaufen kamen, um sich zu verabschieden. Ein Abschied für immer.“

Quelle: Schwarzmayer, Eva: Rechnitzer Geschichten. Oberwart 2000, S. 30.

43 jüdische Bewohnerinnen und Bewohner von Rechnitz wurden mittellos und ohne Reisepässe an die jugoslawische Grenze abtransportiert, durften allerdings nicht einreisen, weswegen sie wochenlang im Dorf Rogosovci in einer Scheune ausharren, bis die Formalitäten geklärt waren. Internationale Hilfsorganisationen verhalfen ihnen schließlich zur Einreise und fanden Aufnahme bei der Kultusgemeinde Zagreb. Über das Schicksal der nach Jugoslawien ausgewiesenen Jüdinnen und Juden ist kaum Konkretes bekannt, vermutlich wurden viele von ihnen ermordet, nachdem die deutsche Wehrmacht am 6. April 1941 Jugoslawien besetzte.

Die Kultusgemeinde Rechnitz muss per 17. Mai 1938 als aufgelöst gegolten haben. Ihr Vermögen, die Synagoge, Schule und Kantorenwohnung wurde von der Gestapo (Geheime Staatspolizei) beschlagnahmt und von der politischen Gemeinde „arisiert“. In Rechnitz selbst wurde lediglich dem jüdischen Arzt Dr. Hugo Graner gestattet, bis zum Sommer 1938 zu bleiben. Er emigrierte schließlich nach Kanada. Andere hatten weniger Glück: Josef Glück, letzter Kantor der Kultusgemeinde, wurde am 24. Juni 1938 ins KZ Dachau deportiert und nach drei Monaten nach Buchenwald überstellt. Er starb dort am 11. Februar 1939.

Was nicht übrig blieb

Am 9./10. November 1938 wurden im gesamten Reich Synagogen und Bethäuser angezündet, jüdische Geschäfte und Wohnungen geplündert oder verwüstet, in Rechnitz selbst wurden die Synagoge und die angebaute Kantorwohnung innen vollkommen zerstört. Der Tempel wurde in der Folge zu einer Art Jugendherberge umfunktioniert, das Gebäude der ehemaligen jüdischen Schule als Kindergarten genutzt. Nach der Befreiung entstanden im Gebäudekomplex ein Feuerwehrhaus und Wohnungen. Im Jahr 1953 hat die Gemeinde die ehemalige Synagoge und die jüdische Schule gekauft. Bis 1974 wurde das Schulgebäude als öffentliche Volksschule genutzt. Danach befand sich auf dem Gelände der Gemeinde-Bauhof, ehe die ehemalige Schule 2005 abgetragen wurde.